Orgelsammlung
Als herausragendes Alleinstellungsmerkmal und damit als Anziehungspunkt für Studierende weltweit fungiert die Orgelsammlung der HMDK Stuttgart mit 11 Orgeltypen aus verschiedenen Epochen und Regionen: Ob die italienische Musik der Spätrenaissance und des Frühbarock, die norddeutsche Musik des Hochbarock, ob die französische Musik der „klassischen“ Epoche, die Musik des 19. Jahrhunderts oder die französische Musik des 19. & 20. Jahrhunderts – den verschiedenen Interpretationsansätzen sind keine Grenzen gesetzt.
Das Chamäleon
Die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit an der Vervollkommnung ihres Orgelspiels dürfen – oder müssen - die Studenten auf der Konzertsaalorgel unter Beweis stellen. Hier finden nahezu alle Abschlussprüfungen im Orgelliteraturspiel statt, und deshalb muss diese Orgel wie eine gute Schauspielerin in viele verschiedene Rollen schlüpfen können. Das Problem einer solchen „Universalorgel“ ist, daß sie zwar theoretisch das gesamte Orgelrepertoire bedienen soll, dies aber dann im Einzelfall niemals mit der gleichen Qualität wie stilspezifische Instrumente leisten kann. Allein eine Zusammenstellung aller denkbar notwendigen Register würde ein Instrument ergeben, welches in seiner technischen Anlage unübersichtlich, ja nach den Maßstäben guter orgelbaulicher Ästhetik gar nicht realisierbar, und dazu klanglich völlig diffus wäre. Auch bei einer Eingrenzung auf einige ausgewählte stilistische Bereiche sind besonders in der Intonation Kompromisse nötig, da Register gleichen Namens und prinzipiell gleicher Bauart in verschiedenen Zeit- und Nationalstilen große klangliche Unterschiede aufweisen können. Zur Minimierung dieser Problematik bedarf es vor allem eines erfahrenen und sensiblen Intonateurs, der die Klanggestalt jeder einzelnen Pfeife im Detail plant und ausfeilt, dazu aber auch gründlicher konzeptioneller Überlegungen bei der Disposition.
Bei letzterer haben wir zwar nicht „das Rad neu erfunden“, doch wohl in Bezug auf die Grundanlage der Orgel einen in seiner Radikalität neuartigen Weg beschritten, der seither auch bei anderen Orgelneubauten in Konzertsälen der ganzen Welt aufgegriffen worden ist. Ausgangspunkt war die Festlegung auf diejenigen Repertoirebereiche der Orgelmusik, welche von dieser Orgel vorrangig bedient werden müssen. Dies sind neben der Musik Bachs in erster Linie deutsche und französische Kompositionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie zeitgenössische Musik, wobei letztere aus historischen Gründen kaum Rücksichtnahme bei der Disposition erfordert.
Im Schnittpunkt der drei genannten Stilbereiche kann der Orgelbauer Gottfried Silbermann gesehen werden. Er brachte einerseits eine starke klassisch-französische Komponente in den mitteldeutschen Orgelbau ein, andererseits wirkte sein überaus erfolgreiches Schaffen bis weit ins 19. Jahrhundert fort: vor allem bei mitteldeutschen Orgelbauern ist noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein an Silbermann angelehnter klanglicher Kern zu beobachten, um den herum moderne, romantische Elemente gruppiert sind. Auf eine Silbermannsche Klanggrundlage läßt sich aber nicht nur ein deutsch-romantischer Klang aufsetzen, sondern auch ein französisch-symphonischer, hat doch Aristide Cavaillé-Coll in einigen seiner großen Orgeln größere Instrumente des 18. Jahrhunderts weiterverwendet.
Diese drei stilistischen Sphären wurden nun folgendermaßen auf die vier Manualwerke verteilt: Die ersten beiden Manuale, als Haupt- und Oberwerk in der Mitte des Prospektes übereinander angeordnet, folgen in der Disposition den Gepflogenheiten Silbermanns und entsprechen mit geringfügigen Abweichungen der Disposition der letzten und größten Orgel Silbermanns in der Dresdner Hofkirche; hätte Silbermann eine noch größere Orgel gebaut, hätte er vielleicht die gleichen zusätzlichen Register disponiert. Das dritte Manual ist ein Schwellwerk im französisch-symphonischen Stil, das vierte ein deutsch-romantisches Schwellwerk, dynamisch bewußt gegen die anderen Werke zurückgenommen. Beide Schwellwerke stehen auf dem Boden, unmittelbar neben dem Spieltisch, entgegen der historischen Praxis einer eher hohen Platzierung in der Orgel, aber mit einem vergleichbaren akustischen Effekt: Durch die horizontalen Schwelljalousien kann der Klang indirekt durch Reflexion am Bühnenboden ins Publikum abgestrahlt werden, während der Großteil der Zuhörer, in den ansteigenden Sitzreihen etwa auf der Höhe des Hauptwerkes platziert, vor allem das Oberwerk sehr direkt wahrnimmt.
Die technische Realisation einer viermanualigen Orgel mit 80 Registern und mechanischer Traktur mit ebenfalls mechanischen Koppeln stellt bezüglich Technologie und handwerklicher Präzision allerhöchste Anforderungen an den Orgelbauer. Die Firma Rieger (Schwarzach/Vorarlberg) hatte uns in dieser Beziehung mit einigen Instrumenten dieser Größenordnung am meisten überzeugt. Durch den Einsatz verschiedener technischer Kunstgriffe ist es ihr gelungen, eine angenehme Spielart zu erzielen, die auch bei vier mechanisch gekoppelten Manualen noch beherrschbar ist.
Die schwierige Aufgabe für den Intonateur Klaus Knoth bestand darin, einerseits die verschiedenen klangstilistischen Sphären deutlich auszuprägen, sie aber andererseits auch zur Synthese zu bringen und so den Gesamtklang der Orgel homogen zu gestalten. Diese Quadratur des Kreises wurde unter Berücksichtigung der notwendigen intonatorischen Kompromisse in höchst überzeugender Weise gelöst: bei sachgemäßer Registrierung kann die Orgel tatsächlich in verschiedene Klanggewänder schlüpfen und die Klangbilder stilspezifischer Originalinstrumente klar erkennbar nachahmen. Sie ist ein musikalisches Chamäleon.
Disposition
Hauptwerk (I. Manual) C-c4
Principal 16’
Bourdon 16’
Principal 8’
Rohrflöte 8’
Gedeckt 8’
Viola di Gamba 8’
Oktave 4’
Spitzflöte 4’
Quinte 2 2/3’
Superoctav 2’
Cornet V
Mixtur major IV-V 2’
Mixtur minor IV-V 1 1/3’
Trompete 16’
Trompete 8’
Trompete 4’
Positiv (II. Manual) C-c4
Pommer 16’
Principal 8’
Holzgedeckt 8’
Quintade 8’
Salicional 8’
Principal 4’
Rohrflöte 4’
Sesquialtera II 2 2/3’
Octav 2’
Waldflöte 2’
Larigot 1 1/3’
Sifflöte 1’
Scharff IV 1’
Dulcian 16’
Trompete 8’
Cromorne 8’
(Tremolo)
Récit (III. Manual) C-c4
Bourdon 16’
Flûte harmonique 8’
Bourdon 8’
Gambe 8’
Voix céleste 8’
Préstant 4’
Flûte octaviante 4’
Nazard 2 2/3’
Doublette 2’
Octavin 2’
Tierce 1 3/5’
Fourniture IV-V 2 2/3’
Basson 16’
Trompette harmonique 8’
Hautbois 8’
Clairon 4’
(Tremolo)
Schwellwerk (IV. Manual) C-c4
Salicional 16’
Geigenprincipal 8’
Doppelflöte 8’
Lieblich Gedeckt 8’
Viola 8’
Aeoline 8’
Vox coelestis 8’
Fugara 4’
Flauto dolce 4’
Quintflöte 2 2/3’
Piccolo 2’
Terzflöte 1 3/5’
Harmonia aetheria II-IV 2’
Fagott 16’ (durchschlagend)
Klarinette 8’ (durchschlagend)
Trompete 8’
Vox humana 8’
Glocken F-f 2
(Tremolo)
Pedal C-g1
Untersatz 32’
Principalbaß 16’
Subbaß 16’
Violonbaß 16’
Oktavbaß 8’
Violoncello 8’
Gedecktbaß 8’
Choralbaß 4’
Gemshorn 4’
Hintersatz IV 2 2/3’
Kontrafagott 32’
Posaune 16’
Fagott 16’
Baßtrompete 8’
Clarine 4’
Normalkoppeln mechanisch, folgende Koppeln auch elektrisch: III-I, IV-I, III-II, IV-II
Elektrische Koppeln: 16’ IV, 4’ IV, 16’ IV-I, 16’ III-I, 16’ IV-II, 16’ III-II, 4’ IV-Pedal, 4’ III-Pedal
Elektronischer Setzer 256-fach
La Signora
Zur selben Zeit, als wir mit einigen italienischen Orgelbauern wegen des Baus einer Orgel im Stile des italienischen Frühbarock in Kontakt traten, bot der Marburger Orgelbauer Gerald Woehl ein originales Instrument an, welches er schon Jahre zuvor aus einer venezianischen Kirche, die abgerissen werden sollte, erworben hatte. Die Disposition (Registerzusammenstellung) dieses Instrumentes, welches gegen Ende des 18. Jahrhunderts von einem anonymen Meister erbaut worden war, deckte sich fast vollständig mit der von uns für eine Stilkopie entworfenen Musterdisposition. Aus diesem Grund entschieden wir uns für den Kauf des Instrumentes, welches nach der Restaurierung durch Gerald Woehl Ende 2000 in der Hochschule seinen Platz gefunden hat. Bezüglich der Restaurierung des Gehäuses, bei welcher auch einige fehlende Holzteile rekonstruiert werden mussten, war zunächst an eine neue Farbfassung gedacht worden. Es wäre aber schade um die vielen teilweise skurrilen Graffiti vor allem aus dem frühen 20. Jahrhundert gewesen, mit denen sich alle möglichen Personen verewigt haben. Das mögen Organisten gewesen sein, sicher Bälgetreter, vielleicht auch Chorsänger, womöglich inzwischen auch der eine oder andere Student...? Darum haben wir die Orgel äusserlich so gelassen, wie sie aus Venedig kam, sie bezeugt die Mühe (manchmal vielleicht auch die Langeweile?) vieler.
Dass eine italienische Orgel aus dem späten 18. Jahrhundert in der Lage ist, die Musik der „grossen“ Zeit der italienischen Orgelmeister vor allem des frühen 17. Jahrhunderts weitgehend authentisch wiederzugeben, liegt daran, dass sich der italienische Orgelbau nur sehr langsam entwickelt hat. Die Disposition unserer Orgel hätte man ohne weiteres auch schon 200 Jahre früher in Rom antreffen können. Ihr Klang ist von dem cantablen, offenen, klaren Typus, wie er auch für so viele berühmte italienische Sänger charakteristisch ist. Dazu kommen zwei wichtige technisch-musikalische Eigenschaften: sie hat eine sogenannte kurze Oktave, was bedeutet, dass die tiefste Oktave der Klaviatur nicht wie normal 12 Töne enthält, sondern nur 8, nämlich C auf der üblichen Taste E, D auf der Taste Fis, E auf der Taste Gis, dann F, G, A, B, H auf den angestammten Plätzen. Damit sind andere, grössere Griffe der linken Hand möglich als auf einer „normalen“ Klaviatur, dies wird für die altitalienische Musik oft vorausgesetzt. Ausserdem ist die Orgel nicht nach dem heute gebräuchlichen „gleichschwebenden“ System gestimmt, bei welchem man alle 24 Tonarten gleich gut (oder gleich schlecht...) spielen kann, sondern nach der sogenannten „mitteltönigen Temperatur“, in welcher nur etwa die Hälfte der Tonarten möglich sind, diese aber dafür wesentlich schöner als im modernen System, ein für die Tonartencharakteristik der alten Musik wiederum entscheidender Umstand.
Diese Orgel ist nach einer winzigen Kabinettorgel im Württembergischen Landesmuseum nicht nur die älteste in der Landeshauptstadt, sondern auch die einzige spielbare, die wirklich als „historische“ Orgel gelten kann. Interessant ist auch, dass sie als einzige der drei Orgeln im Orgelsaal in der klanglichen Präsenz nicht merklich nachlässt, wenn der Raum voll besetzt ist: sie war eben für einen deutlich grösseren Kirchenraum gebaut!

Disposition
Principale 8‘ (geteilt in Baß und Diskant)
Ottava 4‘
Decimaquinta 2‘
Decimanona 1 1/3‘
Vigesimaseconda 1‘
Vigesimasesta 2/3‘
Vigesimanona ½‘
Trigesimaterza 1/3‘ (Baß)
Flauto in ottava 4‘
Flauto in Duodecima 2 2/3‘
Voce umana 8‘
Cornetti (Diskant)
Tromboncini 8‘ (geteilt in Baß und Diskant)
Contrabassi 16‘ (Pedal)
Ottava di Contrabassi 8‘
Stimmung: reine Mitteltönigkeit
Manualumfang C-f‘‘‘ (kurze Oktave), Pedalumfang C-g° (kurze Oktave)
Die sensible Strenge aus dem Norden
Diese Orgel wurde 1997 von Jürgen Ahrend (Leer-Loga) in stilistischer Anlehnung an den bedeutendsten norddeutschen Orgelbauer des Barock, Arp Schnitger, erbaut. Ahrend hat etliche Schnitger-Orgeln restauriert, er gilt als der beste Kenner dieses Stils.
Ihr Klang zeichnet sich durch klare Frische aus, man meint beim strengen Glanz der Mixtur eine steife Brise Seeluft durch den Raum ziehen zu spüren. Gleichzeitig ist sie aber auch ein äusserst sensibles Instrument, denn um sie nicht zu laut werden zu lassen, hat der Orgelbauer einen sehr niedrigen Winddruck gewählt. Daraus resultiert zum einen eine sehr leichtgängige Traktur, der Spieler muss wesentlich weniger Kraft aufwenden als etwa auf einem Klavier, um eine Taste niederzudrücken – und entsprechend einen extrem kontrollierten Anschlag beherrschen, um fehlerfrei spielen zu können. Ausserdem ist der Wind sehr lebendig, bei unsachgemässem Anschlag wird der Klang sehr „wacklig“. Diese Orgel verlangt also dem Spieler einen hohen Grad von Feinfühligkeit ab, deshalb ist sie bei den Studenten gleichzeitig gefürchtet und beliebt, letzteres deshalb, weil die (meisten...) Studenten sich bei ihr wie bei einer zwar strengen, aber auch gerechten und vor allem sehr kompetenten Lehrerin aufgehoben fühlen.
Auch diese Orgel ist nicht nach modernem System gestimmt, sondern nach einem etwa in der Mitte zwischen der gleichschwebenden und der mitteltönigen Temperatur angesiedelten System, welches von einem Zeitgenossen Schnitgers, dem bedeutenden Musiktheoretiker Andreas Werckmeister, berechnet worden ist. Hier sind auch entlegene Tonarten, wie sie gegen Ende des 17. Jahrhunderts allmählich in Gebrauch kamen, klanglich noch einigermassen erträglich, die häufiger gebrauchten klingen aber deutlich besser.
Disposition
Hauptwerk
Prinzipal 8‘
Hohlflöte 8‘
Oktave 4‘
Oktave 2‘
Mixtur III
Sesquialtera II
Hinterwerk
Holzgedackt 8‘
Flöte 4‘
Nasat 3‘
Waldflöte 2‘
Terz 1 3/5‘
Dulzian 8‘
Pedal
Subbaß 16‘
Oktave 8‘
Trompete 8‘
Manualkoppel, Pedalkoppel, Tremulant
Stimmung: Werckmeister III (modifiziert)
Manualumfang C-e‘‘‘, Pedalumfang C-e‘
... und ihre mitteldeutsche Cousine
In der ursprünglichen Konzeption des Orgelensembles war keine Orgel speziell für die Interpretation der Musik J. S. Bachs vorgesehen, weil es so etwas wie „die“ Bach-Orgel nicht gibt und weil die norddeutsche und die französische Orgel die Musik Bachs auch relativ gut darstellen lassen. Im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung wuchs jedoch das Bewusstsein für die spezifischen Eigentümlichkeiten der mitteldeutschen Orgellandschaft, in der Bach grossgeworden ist. Glücklicherweise wurde es 2006 möglich, in einem ausreichend grossen Raum im zweiten Bauabschnitt eine Orgel zu erstellen, welche diese Lücke schliesst, die, wie sich mittlerweile gezeigt hat, doch gravierender war als anfangs angenommen.
Der Klangaufbau dieser „Bach-Orgel“ ist wesentlich inspiriert von dem 1703 von Johann ??? Wender in der Arnstädter Bonifatiuskirche erbauten Instrument, dessen erster Organist Bach war und an welchem dieser seine Orgelästhetik entscheidend entwickelt hat. Zu diesem thüringischen Kern treten einige sächsische Elemente, deutlich ablesbar auch am äusseren Erscheinungsbild des Prospektes, die verbunden sind mit dem Werk des berühmtesten sächsischen Orgelbauers, Gottfried Silbermann. Insofern ist diese Orgel tatsächlich eine Cousine der französischen Orgel, denn Gottfried war der jüngere Bruder des Andreas Silbermann, erhielt bei diesem seine Ausbildung als Orgelbauer und importierte in der Folge französische Stilelemente nach Mitteldeutschland.
Der Bau dieser Orgel war eine ganz besondere Herausforderung. Die meisten mitteldeutschen Barockorgeln sind ausgesprochen kräftig, denn sie mussten einen kraftvollen Gemeindegesang führen und begleiten können. Das Anpassen einer solchen Klanglichkeit an einen doch relativ kleinen Unterrichtsraum war eine schwierige Aufgabe, die die Dresdener Orgelbauwerkstatt Kristian Wegscheider auch hinsichtlich der voluminösen Register wie Trompete und Posaune fulminant gelöst hat. Aber dank ihrer thüringischen Gene hat die Orgel auch eine grosse Zahl delikater Pastellfarben, und so ist sie letztlich noch subtiler als die elsässische Cousine.
Disposition
Hauptwerk
Principal 8’
Rohrflöte 8’
Quintadena 8’
Viola di Gamba 8’
Octave 4’
Quinte 3’
Octave 2’
Tertia 1 3/5’
Mixtur III
Trompete 8’
Positiv
Gedackt 8’
Spitzflöte 4’
Flûte douce 4’
Gemshorn 2’
Cymbel II
Vox humana 8’
Pedal
Subbass 16’
Principalbass 8’
Octave 4’
Posaunenbass 16’
Trompetenbass 8’
Manualkoppel, Pedalkoppel
Manualumfang C, D – d’’’
Pedalumfang, C, D – f’
Ungleichschwebende Stimmung, Chorton (ca. 1 Halbton über der heutigen Norm)
Die gemütvolle Elsässerin
Frankreich hat in der Zeit von Louis XIV. bis zu Revolution eine grosse, sehr eigenständige Orgeltradition entwickelt, die zu studieren für einen jungen Organisten wegen ihrer besonderen Charakteristika (Ornamentik, rhythmische Fragen) unabdingbar ist. Auch im Orgelbau gab es in Frankreich eine ganz eigene, auch vergleichsweise sehr homogene Entwicklung. Klanglich zeichnet sie sich durch eine Vielzahl von nasalen Timbres aus, die deutlich von der französischen Sprache inspiriert sind und orgelbaulich durch bestimmte Obertonkonstellationen sowie durch zahlreiche Zungenregister (Trompete, Krummhorn, die stark näselnde Voix humaine) realisiert wurden. Dem gegenüber steht im Bereich des silbrigen Mixturenglanzes eine eher warme, dunkle Färbung; hiermit wird häufig bei den typischen Einleitungssätzen der Orgelsuiten eine von der Pedaltrompete in Tenorlage solistisch vorgetragene Melodie des Gregorianischen Chorals wie in einen warmen Mantel gehüllt.
Da einige der besten französischen Orgelbaufirmen im Elsass angesiedelt sind, haben wir uns dort umgesehen und fanden mit Gaston Kern einen sympathischen, hochkarätigen Handwerker und Künstler, der uns besonders durch seinen liebevollen Umgang mit den Materialien Holz und Metall beeindruckte. Seine bei einigen Restaurierungen gesammelten Erfahrungen führten dazu, dass als stilistisches Vorbild der zwar in Paris ausgebildete, aber im Elsass wirkende Deutsche Johann Andreas Silbermann gewählt wurde, dessen Orgeln im Vergleich zu zentralfranzösischen Instrumenten ein etwas weicheres, eben gemütvolleres Klangbild aufweisen, ein Vorteil im kleinen Orgelsaal.
Die Orgel besitzt, wie dies für Frankreich typisch ist, ein Rückpositiv, welches hier hinter dem Spieler auf dem Boden steht; seine Registerzüge sind daher im Rücken des Spielers angebracht. Das dritte Manual ist nicht wie in den meisten altfranzösischen Orgeln ein solistisches Récit, sondern, wie häufig im Elsass, ein Echowerk versteckt hinter dem Notenpult.
Die beiden keilförmigen Blasebälge für die Windversorgung stehen in einem separaten Verschlag links der Orgel und können gesehen werden.
Disposition
Grand-Orgue (II)
Bourdon 16‘
Montre 8‘
Bourdon 8‘
Préstant 4‘
Flûte 4‘
Grosse Tierce 3 1/5‘
Doublette 2‘
Fourniture III
Cymbale III
Cornet V (ab c‘)
Trompette 8‘
Voix humaine 8‘
Positif (I)
Bourdon 8‘
Préstant 4‘
Flûte à chéminée 4‘
Nasard 2 2/3‘
Doublette 2‘
Tierce 1 3/5‘
Larigot 1 1/3‘
Fourniture III
Cromorne 8‘
Echo (III)
Bourdon 8‘
Flûte 4‘
Cornet III (ab g°)
Pédale
Soubasse 16‘
Flûte 8‘
Trompette 8‘
Tremblant
Accouplement Pos./G.O.
Tirasse G.O.
Stimmung: nach J. A. Silbermann
Manualumfang C-d‘‘‘
Pedalumfang: wahlweise C-f‘ auf einer Klaviatur deutscher Art, Kontra-A, C-f‘ auf einer französischen Klaviatur, dem sogenannten „Messerrückenpedal“ mit kurzen, aus dem Fundamentbrett herausstehenden Tasten
Die Jurine-Orgel
Die Jurine-Orgel füllt an der HMDK Stuttgart die Lücke in der Darstellung der Musik der französischen Romantik, die durch Komponisten wie César Franck, Camille Saint-Saëns und Charles-Marie Widor und im Orgelbau durch Aristide Cavaillée-Coll repräsentiert wird. Gesanglich weiche Tongebung bis hin zum mächtigen sinfonischen Klang, klangvolle Streicher-, Flöten- und Bläserfarben sind die Charakteristika dieser besonderen Instrumente, die Cavaillée-Coll sein Leben lang weiterentwickelt und verfeinert hat. Die Entwicklung der Orgelmusik etwa von Franck, Saint-Saëns und Widor geht dabei Hand in Hand mit der des Orgelbaus. Dabei spielt auch eine stufenlose Dynamik eine große Rolle, die bei der Jurine-Orgel durch einen Generalschweller maximiert wird, der trotz der geringen Registerzahl eine verblüffende Wirkung erzeugt. Auf die „pâte sonore“ kommt es an. So umschreibt der Orgelbauer Michel Jurine aus Lyon das klangliche Prinzip der neuen Orgel, die nun in Raum 2.83 steht und die umfangreiche Orgelsammlung erweitert. Die klassische Pfeifenansicht der Orgel wurde aufgegeben zugunsten eines vierteiligen Jalousieschwellers. Bonbon der Neuen ist die „voix humaine“, die Pfeifen von Joseph Merklin aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gelangten von einem aufgelösten Frauenkloster in Belgien über das Lager von Jurine nach Stuttgart, ihr dezenter Originalklang ist nun wieder zu hören. Der Stuttgarter Künstler Nikolaus Koliusis bringt auf den vier beweglichen Prospekt-Flächen Himmelsbilder ins Spiel, die Weite und Nähe ebenso vermitteln wie einen Blick in die Tiefe des Alls.
Disposition
I. Grand Orgue
Bourdon 16‘
Montre 8‘
Salicional 8‘
Bourdon 8‘
Flute Harmonique 8‘
Prestant 4‘
II. Récit expressif
Bourdon Harmonique 8‘
Gambe 8‘
Voix Céleste 8‘
Flute octaviante 4‘
Octavin 2‘
Trompette harmonique 8‘
Basson-Hautbois 8‘
Voix humaine 8‘
Tremblant
Appel Trompette
Pedal
Soubasse 16‘*
Violoncelle 8‘*
Flute 8‘*
Octav 4‘*
* Transmission aus G.O.
Recit/G.O., Recit/Ped., G.O./Ped.
Generalschweller
Die Geschmeidige
Sie ist die kleine Schwester der Konzertsaalorgel, aber auch eine Nachfahrin der französischen Barockorgel. Eine symphonische französische Orgel in einem kleinen Unterrichtsraum ist fast ein Widerspruch in sich, denn dieser Typ, wie er exemplarisch durch Aristide Cavaillé-Coll, den berühmtesten französischen Orgelbauer des 19. Jahrhunderts, definiert worden ist, ist auf grosse Kirchenräume hin angelegt. Nun zeigt aber die seit fünfzehn Jahren wieder restauriert zugängliche Hausorgel des bedeutenden französischen Komponisten Jehan Alain (1911-1940), deren Kern auch ein Instrument Cavaillé-Colls ist, dass sich das typische „Parfum“ dieses Orgelstils auch in einem kleineren Raum durch ein intimeres, in der Lautstärke gezähmtes Instrument entwickeln läßt. Die Leiter der Luzerner Orgelbaufirma Goll, Jakob Schmidt (+) und Beat Grenacher, die für uns 1997 die Orgel gebaut haben, überzeugten mit einem Konzept, bei dem der Prospekt der Orgel fast vollständig geschlossen ist. Im Innern des Orgelgehäuses generiert der Klang einen eigenständigen Nachhall, der Schall tritt nur durch einige schmale, von wenigen Pfeifen umstellte Ausschnitte aus. Die gute Klangmischung macht diese Orgel in der Registrierung besonders geschmeidig. Gleiches gilt auch für ihre leichtgängige und präzise Spieltraktur, die sie zu einem idealen Unterrichtsinstrument macht: angenehm im Spielgefühl, aber doch unnachsichtig gegenüber jedweder Ungenauigkeit.
Die Orgel ahmt bewußt nicht möglichst genau den Stil Cavaillé-Colls nach, sondern ist in einem etwas älteren Stil gehalten, etwa in Anlehnung an die im frühen 19. Jahrhundert auch im Elsass tätigen Orgelbauer Callinet, welche einen gewissen spätbarocken, auch deutsche Elemente enthaltenden Grundbestand mit romantischen Farben anreicherten. Dadurch eignet sich die Orgel auch noch gut für die Musik Bachs. Bei der Interpretation der Werke eines César Franck oder eines Charles Marie Widor, für welche sich nahezu alle wesentlichen Klangfarben finden, empfängt der Hörer einen Eindruck Pariser Atmosphäre des 19. Jahrhunderts, sozusagen reduziert auf „Salonklang“. Zur Kennzeichnung der stilistischen Zwitterstellung wurden französische Registernamen auch nur im Schwellwerk verwendet. Da diese Orgel gelegentlich zu Prüfungen und zu klasseninternen Konzerten verwendet wird, erhielt sie zusätzlich zur mechanischen Registertraktur elektronische Setzerkombinationen zum schnellen Wechsel vorprogrammierter Klangfarben.
Disposition
Hauptwerk
Bourdon 16‘
Principal 8‘
Rohrflöte 8‘
Octave 4‘
Spitzflöte 4‘
Quinte 2 2/3‘
Octave 2‘
Cornett V (ab c°)
Mixtur IV
Trompete 8‘
Positiv
Gedackt 8‘
Salicional 8‘
Principal 4‘
Rohrflöte 4‘
Waldflöte 2‘
Quinte 1 1/3‘
Sifflet 1‘
Sesquialtera II
Krummhorn 8‘
Récit
Quintaton 16‘
Bourdon 8‘
Gambe 8‘
Voix Céleste 8‘
Fugara 4‘
Flûte trav. 4‘
Nasard 2 2/3‘
Octavin 2‘
Tierce 1 3/5‘
Trompette harm. 8'
Hautbois 8‘
Pedal
Subbas 16' (aus HW)
Octavbass 8‘ (C-H aus HW)
Rohrgedackt 8‘ (aus HW)
Posaune 16‘
Tremulant für Pos. und Rec.; 6 Normalkoppeln, III-I 16‘, III-P 4‘
Manualumfang C-a‘‘‘, Pedalumfang C-f‘
Leicht ungleichschwebende Stimmung
Die mollige Schwäbin
Der romantische Aufbruch in Deutschland, sichtbar zuerst in der Literatur, aber auch in Geschichte und Politik im Gefolge der Napoleonischen Kriege, hatte seinen vielleicht wichtigsten Ausgangspunkt zur gleichen Zeit in Ludwigsburg in der Gestalt von Eberhard Friedrich Walcker, dem wichtigsten deutschen Orgelbauer um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Seine Orgeln zeichnen sich durch eine reiche Palette an 8‘-Labialstimmen, d.h. an fein abgestuften, vor allem leisen Farben in der Grundtonlage aus. Da diese sehr viel Platz beanspruchen, musste für den kleinen Raum eine Auswahl getroffen werden, bei welcher alle wesentlichen Registergruppen (Prinzipale, Streicher, Flöten) in verschiedenen farblichen und dynamischen Varianten auf die drei Manuale verteilt sind. Ebenfalls wegen des beschränkten Raumangebotes musste der Winddruck möglichst niedrig gehalten werden. Dadurch erhält die Orgel einen warmen, sensiblen Grundcharakter, wie er eher für frühromantische als für spätromantische Orgeln typisch ist. Die Orgelbauwerkstätte Konrad Mühleisen in Leonberg, die das Instrument 1998 fertigstellte, legte die mechanische Spieltraktur bewußt weich, in Anlehnung an die Spielweise vieler romantischer Orgeln, aus.
Disposition
Hauptwerk
Bourdon 16‘
Principal 8‘
Rohrflöte 8‘
Gamba 8‘
Octave 4‘
Flöte 4‘
Quinte 2 2/3‘
Octave 2‘
Trompete 8‘
Positiv
Viola 8‘
Traversflöte 8‘
Bordon 8‘
Prestant 4‘
Rohrflöte 4‘
Nasat 2 2/3‘
Waldflöte 2‘
Terz 1 3/5‘
Larigot 1 1/3‘
Clarinette 8‘
(seit 2008 mit Windschweller)
Schwellwerk
Holzflöte 8‘
Salicional 8‘
Schwebung 8‘
Fugara 4‘
Dulcflöte 4‘
Flöte 2‘
Oboe 8‘
Pedal
Subbaß 16‘
Gedecktbaß 8‘ (aus Subb.)
Octavbaß 8‘
Choralbaß 4‘ (aus Octav.)
Fagott 16‘
Fagott 8‘ (aus Fag. 16‘)
Tremulanten Pos. und SW; 6 Normalkoppeln, III-III 16‘
Manualumfang C-a‘‘‘; Pedalumfang C-f‘; Stimmung gleichschwebend
Die Mimose
Die 1996 von Johannes Rohlf (Neubulach) erbaute Orgel sollte trotz bescheidener Registerzahl drei Manuale bekommen, damit auch das Üben komplexer Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts möglich ist. Dies wurde dadurch erreicht, dass das 3. Manual die Pedalregister enthält, allerdings bis a‘‘‘ ausgebaut, ein Konzept, welches Rohlf schon bei mehreren Orgeln realisiert hat. Die Orgel zeichnet sich durch eine extrem präzise und sensible Traktur sowie durch eine angenehm flexible Windversorgung aus; sie ist deshalb gleichermaßen als Übeinstrument inspirierend und fordernd – wie als Unterrichtsinstrument bei den Studenten gefürchtet, mehr als alle anderen unserer Orgeln! Sie verzeiht dem Spieler keinerlei Ungenauigkeit.
Disposition
Hauptwerk (I)
Rohrflöte 8‘
Principal 4‘
Octave 2‘
Positiv (II)
Gedackt 8‘
Rohrflöte 4‘
Nasard 2 2/3‘
Blockflöte 2‘
Terz 1 3/5‘
Pedalwerk (III)
Bourdon 16‘
Flötbaß 8‘ (Prinzipal)
Flötbaß 4‘
Tremulant für Positiv; 6 Normalkoppeln; 2 Zimbelsterne (Windräder mit kleinen Glöckchen)
Manualumfang C-a‘‘‘, Umfang der Pedalklaviatur C-g‘.
Stimmung leicht ungleichschwebend
Die Unbestechliche
Die 1986 von Eduard Wiedenmann erstellte dreimanualige Orgel mit 15 Registern ersetzte damals eine abgespielte kleine Orgel mit elektropneumatischer Spieltraktur (die Verbindung zwischen Taste und dem Ventil unter den Pfeifen geschieht nicht wie bei allen unseren anderen Orgeln mit einer direkten mechanischen Verbindung, sondern mittels in Bleiröhrchen geführter Druckluft, folglich mit winziger Zeitverzögerung). Heute würde man diese alte Orgel trotz ihrer mangelhaften klanglichen Attraktivität vielleicht aus Gründen der Pietät (oder auch Kuriosität) erhalten, aber damals war sie wegen der systemimmanenten Ungenauigkeit der Traktur für einen präzisen Unterricht eher hinderlich. Die Wiedenmann-Orgel ist mit ihrer leichtgängigen und genauen Mechanik das glatte Gegenteil und bildet so, wenn sie auch fast nur noch zu Übezwecken eingesetzt wird, ein unentbehrliches Mitglied unseres Orgelensembles.
Disposition
Hauptwerk
Koppelflöte 8’
Prinzipal 4’
Quinte 2 2/3’
Oktave 2’
Positiv
Gedeckt 8’
Blockflöte 4’
Nasat 2 2/3’
Gemshorn 2’
Terz 1 3/5’
Schwellwerk
Gemshorn 8’
Rohrflöte 4’
Pedal
Subbaß 16’
Rohrgedackt 8’
Choralbaß 4’
Fagott 8’
6 Normalkoppeln
Das Orgelpositiv
Sie ist die einzige Reisende unter unseren Orgeln, steht normalerweise in einem kleinen Überaum, darf sich aber gelegentlich auch im glanzvollen Licht des Konzertsaales präsentieren. Die von Armin Hauser 1997 erbaute transportable Truhenorgel hat zu Continuo-Zwecken eine verschiebbare Klaviatur, womit sie in zwei Stimmtonhöhen (415/440 Hz) gespielt werden kann, was für Ensembles mit alten Instrumenten wichtig ist.
Principal 8‘ (Diskant)
Holzgedackt 8‘
Octave 4‘
Rohrflöte 4‘
Nasard 2 2/3‘
Gemshorn 2‘
Gleichschwebende Stimmung