„Living in ‚different neighborhoods‘?
Zum Verhältnis von musikalischer Analyse und Interpretation“

Über das Verhältnis von musikalischer Analyse und Interpretation im Bereich der westlichen Kunstmusik wird seit dem 19. Jahrhundert nachgedacht, debattiert und gestritten. Umstritten ist dabei zum einen, ob und wie sich beide Bereiche gegenseitig befruchten können und sollten. Zum anderen, in welchem Maße und auf welche Weise dies tatsächlich auch geschieht. In meinem Vortrag möchte ich mich mit der Analysepraxis von Interpretinnen und Interpreten beschäftigen, einem Feld, das in der wissenschaftlichen Diskussion lange Zeit eher ein Schattendasein geführt hat. Dabei geht es einerseits um die Bedeutung von Analyse im Einstudierungsprozess, andererseits um ihre Rolle bei der Werkvermittlung. Als Fallbeispiele dienen Ferruccio Busonis instruktive Ausgabe des Wohltemperierten Klaviers, Claudio Abbados Dirigierzettel sowie ein multimediales Projekt zur Klaviermusik von György Ligeti mit dem französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard.

Tobias Bleek ist Honorarprofessor für Musikwissenschaft an der Folkwang Universität der Künste in Essen und leitet seit 2007 das Bildungs- und Förderprogramm der Stiftung Klavier-Festival Ruhr. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Publikationen und seiner Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten bilden die Musik des 18. bis 21. Jahrhunderts und der Bereich der Interpretationsforschung. In Zusammenarbeit mit Pierre-Laurent Aimard, András Schiff und Tamara Stefanovich hat er die wissenschaftsbasierte Vermittlungsplattform www.explorethescore.org entwickelt. Diese umfasst interaktive Partituren, Meisterkurse, Vermittlungsprojekte und multimediale Essays zu Werken von Béla Bartók, Pierre Boulez, György Ligeti und Igor Strawinsky.