Veranstaltungen
W.A. Mozart: Le nozze di Figaro
Mozarts "Le Nozze di Figaro" auf der Bühne des Wilhelma Theaters - wieder ein Repertoirestück quasi in Konkurrenz zum benachbarten renommierten Opernhaus? Ja, unbedingt, wenn auch nicht als Konkurrenz, sondern als gelebte Vielfalt. Schließlich gibt es für junge Sängerinnen und Sänger kaum einen besseren Lehrmeister als Mozart, musikalisch wie szenisch. Er erzieht zu Genauigkeit, Delikatesse, Glaubwürdigkeit, ohne je zu überfordern. Und gerade weil in den etablierten Häusern die Partien des "Figaro" eher mit reiferen Sängerdarstellern besetzt werden, macht ein durchweg junges Ensemble dieses Werk wieder neu und aktuell.
Worum geht es? Das Libretto, von Lorenzo da Ponte nach Beaumarchais’ gleichnamigem Drama genial gerafft konzipiert, hat die sich wandelnden Hierarchien der Vor-Revolutionszeit zum Thema. Adel und Geld verleihen schon nicht mehr per se Autorität. Die Gewinner im gesellschaftlichen Spiel sind Intelligenz, Einfallsreichtum und List. Verpackt wird diese Botschaft in den bewährten Komödienstoff von Liebe, Untreue und Intrige. Das trifft auch auf moderne Umbruchzeiten zu, wie wir sie zum Beispiel am "Untergang" des Ostblocks beobachten konnten: einerseits gibt es Freiheit für Meinung, Entscheidung und Lebensgestaltung - andererseits rücksichtslose Bereicherung und neue Abhängigkeiten.
Zum Kern der Handlung: Susanna und Figaro, Bedienstete des Grafen Almaviva, wollen heiraten. Der Graf, ihr Chef, versucht das zu verhindern, weil er in Susanna verliebt ist und sie in die Zahl seiner Eroberungen einreihen möchte. Das ist doppelt perfide, weil vor wenigen Jahren Figaro, der als Handwerker mittlerweile insolvent und daher jetzt beim Grafen angestellt ist, diesem seinem Freund (wie er immer noch glaubt) mit List und Raffinesse zur Ehe mit Rosina verholfen hatte. Denn eigentlich hatte Rosinas Vormund Bartolo es auf sie abgesehen - der sich im Verlauf der Oper dann allerdings als Figaros unbekannter Vater herausstellt. Die gräfliche Ehe ist nicht glücklich, was sich bei der Gräfin Rosina in depressiven Verstimmungen und gefährlichen Schwärmereien zeigt, beim Grafen in außerehelichen Aktivitäten. Das Ganze ist ein rasantes Verwirrspiel, in dem der angeblich so fortschrittliche junge Graf inzwischen bereut, Standesprivilegien wie das "Recht der ersten Nacht" - das heute für die sexuelle Abhängigkeit von Frauen allgemein stehen kann - freiwillig aufgegeben zu haben. Fortschrittler, Reaktionäre, Gescheiterte und Sonderlinge bevölkern das Schloss des Grafen -das wir in eine phantasierte Umbruchzeit transponieren. Eine Zeit, in der überkommene Regeln und Privilegien nicht mehr gelten, neue noch nicht wirklich etabliert sind oder aus Sehnsucht nach Anarchie abgelehnt werden. Parallelen zu heute sollen angedeutet, Erkenntnisse daraus aber dem Publikum
überlassen bleiben.
Es singen und spielen Studierende der Stuttgarter Opernschule.
Es spielt das Stuttgarter Kammerorchester und wird ergänzt durch Studierende der Bläser- und Streicherklassen der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart
Musikalische Leitung: Bernhard Epstein
Regie: Dagny Müller
Ausstattung: Kersten Paulsen
Werkeinführung im Oberen Foyer jeweils 45 Minuten vor Beginn der Vorstellung