Stuttgarter Orgelakademie 2023

Plenum mit Prof. Ton Koopman
Bach und Buxtehude
In Ton Koopmans Meisterkurs soll täglich eine der folgenden vier Werke, die ihm besonders am Herzen liegen, Themenschwerpunkt des Plenums sein.
- D. Buxtehude: Praeludium, Fuga und Ciaccona in C (BuxWV 137)
- D. Buxtehude: Toccata in F (BuxWV 157)
- J. S. Bach: O Mensch, bewein dein Sünde groß (BWV 622)
- J. S. Bach: Vater Unser im Himmelreich (BWV 682)
Darüber hinaus können sämtliche Werke der beiden Komponisten nach freier Wahl der Kursteilnehmenden mitgebracht werden.
Ton Koopman studierte Orgel, Cembalo und Musikwissenschaft in Amsterdam. Er konzentrierte seine Studien auf Barockmusik mit besonderem Augenmerk auf J. S. Bach und wurde so bald zu einer führenden Figur in der Bewegung der „authentischen Aufführungspraxis“. Als Organist und Cembalist trat Ton Koopman in den angesehensten Konzerthäusern der Welt auf und spielte Europas schönste historische Instrumente. 1979 gründete er das Amsterdam Baroque Orchestra und 1992 den Amsterdam Baroque Choir. Ton Koopman war an allen bedeutenden Konzerthäusern und Festivals der Welt zu Gast. Ton Koopman ist Präsident der Internationalen Dieterich Buxtehude Society und seit 2012 Buxtehude-Preisträger der Hansestadt Lübeck; Ton Koopman ist emeritierter Professor der Universität Leiden, Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London, künstlerischer Leiter des Festivals Itinéraire Baroque und Präsident des Bach-Archivs Leipzig.
Kurse
Prof. Dr. Vincent Bernhardt
Vom Hof in die Kirche
Französische Orgelmusik zwischen 1600 und 1789
In diesem Kurs wird die französische Orgelmusik des 17. und 18. Jahrhunderts betrachtet, wobei explizit zwischen den verschiedenen Unterepochen der französischen Klassik unterschieden wird. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf der Ornamentik in Übereinstimmung mit der historischen Quellenforschung liegen, aber auch andere stiltypische Aspekte (z.B. Inegalität, Registrierung, Artikulation usw.) sollen behandelt werden.
Vincent Bernhardt unterrichtet seit dem Wintersemester 2022/23 Orgel an der HMDK Stuttgart. Er verbindet konsequentes Instrumentalspiel mit fundierter musikwissenschaftlicher Arbeit und ist dadurch ein allumfassender Musiker: international anerkannter Cembalist und Organist, Doktor der Musikwissenschaft, Dirigent und Pädagoge. Als Forscher hat er sich auf die Interpretation von Instrumentalmusik aus dem frühen 18. Jahrhundert spezialisiert, insbesondere auf das Werk von Vivaldi.
Prof. Helmut Deutsch
Franz Liszt
Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“
Überlegungen zu Gestaltungsmöglichkeiten eines Schlüsselwerks der romantischen Orgelliteratur
Benötigte Ausgabe: Franz Liszt – Sämtliche Orgelwerke Band 1, Universal Edition UE 17 883 (bitte keine Peters und Editio Musica-Ausgabe)
Helmut Deutsch, Professor für Orgel an der HMDK Stuttgart, davor an der HfM in Freiburg. Liszt-Preis Budapest; zahlreiche Konzertreisen. Juror an internationalen Orgelwettbewerben, Dozent bei Interpretationskursen. CD-Aufnahmen, „Diapason d’or” für Liszt: Organ works. Autor von Orgeltranskriptionen (Bärenreiter, Schott). Die unterschiedlichen Instrumenten- und Musikgattungen wie Oper, Klavier- und Kammermusik sowie die Sinfonische Musik als Inspirations- und Vergleichsquelle für die Orgelmusik zu transferieren, ist eines der wichtigen Anliegen seines Unterrichts.
Prof. Jürgen Essl
César Franck
Trois Chorals – von der Freiheit des Spielens, Versuche in Tempo, Agogik und dem Moment des Gegenwärtigen.
Die Teilnehmenden haben Gelegenheit, sich in Fragen der rhythmischen und dynamischen Gestaltung auszuprobieren und auszutauschen. Was mag die von Tournemire beschriebene Freiheit bei Franck gewesen sein und wie nähern wir uns der Frage heute? Kursrepertoire sind die Trois Chorals.
Jürgen Essl ist seit 2003 Professor für Orgel an der HMDK, zuvor war er Professor in Lübeck und Kantor in Sigmaringen. Er unterrichtet eine gemischte Klasse für Interpretation und Improvisation. In der internationalen Orgelszene ist er durch Konzerte und Kurse präsent, ebenso als Komponist. CD-Aufnahmen in Mexico City wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. als „CD des Jahres“ bei Klassik Heute. 2003 erhielt er den Kompositionspreis Kirchenmusik Baden-Württemberg.
Prof. Jörg Halubek
Stylus Fantasticus bei Johann Sebastian Bach
In den Werken der Barockzeit werden selten Angaben zum Tempo notiert, meist nur generelle Angaben wie Allegro oder Adagio. Waren Ritardando und Accelerando noch nicht erfunden? Erwarteten Komponisten und Zuhörer ein Tempo rubato im Vortrag und was wurde als ausdrucksvolles Spiel angesehen? Diese Fragen sollen im Kurs aus der Sicht historischer Quellen praktisch diskutiert werden.
Kurswerke sind Orgelwerke Bachs mit freien Abschnitten, beispielsweise: BWV 531, 532, 535, 542, 549, 551, 565, 566, auch BWV 910-916.
Jörg Halubek ist seit 2012 Professor für Orgel und Cembalo. 2004 gewann er den ersten Preis des Leipziger Bachwettbewerbs. In den letzten Jahren ist er vor allem als Dirigent an traditionsreichen Theatern und Festivals in Erscheinung getreten und leitete mehr als 30 Opernproduktionen mit Regisseuren wie Harry Kupfer oder Calixto Bieito, u. a. an der Komischen Oper Berlin oder den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Sein musikalisches Fundament bleibt das Orgelspiel, mit dem Label Berlin Classics entsteht derzeit eine Gesamteinspielung der Orgelwerke Bachs.
Nathan Laube
Neue Horizonte im Frankreich der 1890er Jahre
die späten Sinfonien von Charles-Marie Widor, Op. 70 & 73
Die rasanten Veränderungen in der Musikästhetik, der Kultur, der Kirchenmusik und der Politik in den 1890er Jahren gingen auch an der Orgelempore nicht spurlos vorüber. Nach dem Tod von César Franck und der Berufung Widors an das Pariser Konservatorium im Jahr 1890 waren Widors Symphonie Gothique op. 70 und Symphonie Romane op. 73 wegweisend. Neue Tendenzen in der Registrierung und musikalischen Textur sowie für die Integration von Gregorianik in einen spätromantischen, quasi-wagnerianischen Klangteppich nahmen ihren Lauf. Lassen Sie uns gemeinsam diese verschiedenen Fäden und ihr lang anhaltendes Vermächtnis in der französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts erkunden.
A-R Editions, herausgegeben von John R. Near (N019 & N020) - wenn möglich.
Nathan Laube ist Professor für Orgel an der Eastman School of Music (Rochester, New York) und internationaler Berater am Royal Birmingham Conservatoire (UK); von 2020-2022 war er Professor für Orgel an der HMDK Stuttgart. Als vielseitiger Konzertorganist konzertiert er regelmäßig in großen Konzertsälen auf der ganzen Welt. Er ist regelmäßiger Gast bei Orgelakademien (Göteborg, Smarano, etc.) und wird häufig in Jurys von Wettbewerben berufen (Messiaen, Groningen, Silbermann, etc.). Als leidenschaftlicher Liebhaber der Orgelästhetik hat er Artikel zu verschiedenen Themen verfasst und als Berater für neue Instrumente und Restaurierungen in Europa und den Vereinigten Staaten gearbeitet.
Domorganist KMD Prof. Johannes Mayr
Improvisation mit modernen Spieltechniken
Im Kurs werden Möglichkeiten ausgelotet der mechanischen Pfeifenorgel frappierende Klangwirkungen zu entlocken und mit relativ einfachen technischen Mitteln, freitonale Harmoniefolgen, Klangflächen, polyphone Muster, Schlagwerkeffekte etc. zu erzeugen.
Johannes Mayr war 1990-2001 als Dekanatskirchenmusiker in Bad Wurzach, 2001 bis 2011 in Stuttgart (St. Fidelis) tätig. Seit 2011 ist er Domorganist an der Konkathedrale St. Eberhard Stuttgart. Lehrtätigkeiten an mehreren Musikhochschulen, derzeit in Tübingen (seit 2004) und Stuttgart (seit 2009), mit Schwerpunkt Orgelimprovisation/Liturgisches Orgelspiel. Als Orgelimprovisator erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter erste Preise bei den internationalen Wettbewerben in Schwäbisch Gmünd (1989), in Montbrison/Frankreich 1991 und in Dudelange/Luxemburg 2009.
Tobias Wittmann
Impressionistische Klanggemälde
Improvisationskurs
Farbe, Licht und Schatten werden zum wesentlichen Parameter in der Kunst des Impressionismus. Dieser Kurs bewegt sich im inspirativen Raum impressionistischer Malerei und Musik. Es werden musikalische Stilmittel der Harmonik, Rhythmik und Instrumentation erprobt sowie Mittel der Malerei auf die Improvisation übertragen. So entstehen atmosphärische Klangbilder, flüchtige Momentaufnahmen.
Tobias Wittmann lehrt Orgelimprovisation/Liturgisches Orgelspiel an der HMDK Stuttgart. Er ist Regionalkantor für das Kath. Stadtdekanat Stuttgart und leitet den KLANGRAUM st.fidelis. Ein Schwerpunkt seiner künstlerischen Konzeptionen liegt im Miteinander und der Vertiefung von Musik und Spiritualität. Er war Preisträger von Improvisationswettbewerben, u.a. Finalist des Internationalen Improvisationswettbewerbs in Haarlem.
Vorlesungen/Lecture Recitals
KMD Prof. Jörg-Hannes Hahn
C. P. E. Bach–Müthel–Mozart
Carl-Philipp Emanuel Bach, Johann Gottfried Müthel und Wolfgang Amadeus Mozart zählen zu den markantesten Orgelkomponisten nach J. S. Bach und vor Mendelssohn. Alle drei Virtuosen entwickelten ein eigenständiges kompositorisches Profil und haben Werke geschaffen, die ihren festen Platz im Repertoire der Organisten haben sollten. Bei C. P. E. Bach und Müthel als Vertreter des galanten Stils zu sprechen, führt in die falsche Richtung – sind sie doch Vertreter des „Sturm und Drang“. Die Tiefen der Mozart’schen Werke auszuloten, ist eine Herausforderung für jeden Spieler und soll Teil der lecture sein.
Jörg-Hannes Hahn ist Kirchenkreiskantor der vier Stuttgarter Dekanate. Seit 1996 unterrichtet er künstlerisches Orgelspiel, Generalbass und Methodik an der HMDK Stuttgart, seit 2007 als Professor. Verpflichtungen als Solist, Gastprofessor und als Dirigent führten ihn in die meisten europäischen Länder, Nord- und Südamerika, Israel, Russland und Fernost. Er leitet die Reihe MUSIK AM 13. mit Gästen wie K. Penderecki, S. Gubaidulina und etablierte diese als bedeutendstes kirchliches Podium neuer geistlicher Musik in Süddeutschland. Produktionen für CD, TV und Radio.
KMD Thomas Haller
Von Mixturen und Zimbeln
Ausgehend von der mittelalterlichen Orgel beschreibt Haller die Entwicklung gemischter Stimmen im Plenum von der Registerscheidung bis ins 21. Jahrhundert. Es werden die verschiedenen regionalen Entwicklungslinien nachgezeichnet und zeittypische Bauweisen vorgestellt. Darunter die unterschiedlichen Mixturkonzepte der Instrumente des 18. Jahrhunderts im Norden oder Süden Deutschlands, Italiens oder Frankreichs. Anklänge erfolgen an den Mixturenstreit im 19. Jahrhundert und an die veränderten Anforderungen an den Mixturenklang im 20. Jahrhundert.
Thomas Haller (*1966) ist Kirchenmusikdirektor in Aalen und Orgelsachverständiger der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit Lehraufträgen für Orgelbau in Freiburg, Stuttgart und Ludwigsburg. Studium der Kirchenmusik in Hannover und Stuttgart. Als kirchenmusikalischer Netzwerker in Ostwürttemberg erforscht er derzeit auch 550 Jahre Orgelbau seiner Heimat.
KMD Tobias Horn
Goldene 20er?
oder: Wohin mit der Romantik?
Die Lebenszeiten von Marcel Dupré (1886–1971) und Johann Nepomuk David (1895–1977) sind fast deckungsgleich. Der eine, in der Tradition der französischen Romantik großgeworden, hat bisweilen das Image des Scholastischen und Humorlosen. Zu Recht? Der andere, persönlich mit Webern und Schönberg in Kontakt und viele Jahre an der Stuttgarter Hochschule tätig (wo er lebte und verstarb), das des Spröden. Und doch ist bei ihm der Geist Max Regers, des vielleicht unbequemen Jubilars 2023, spürbar. Tobias Horn stellt Aspekte der Biografien und mit Duprés 2. Symphonie (1929) und Davids Chaconne (1927) zwei Schlüsselwerke der Orgelmusik der 1920er – nunmehr fast 100 Jahre alt – vor.
Tobias Horn, geboren 1970, Studium Kirchenmusik A und Orgel-Solistenklasse in Stuttgart, Lyon und Rotterdam/Den Haag, u. a. bei Ludger Lohmann, Jean Boyer und Ben van Oosten. Preisträger mehrerer internationaler Orgelwettbewerbe, seit 2000 Bezirkskantor der Evang. Landeskirche in Württemberg, seit 2018 Kirchenmusikdirektor. Masterclasses und Kurse im In- und Ausland (u. a. Konservatorium Moskau und Musikakademie Krakau), internationale Konzerttätigkeit, Rundfunk- und CD-Aufnahmen. Unterrichtet seit 2016 eine Orgelklasse an der HMDK Stuttgart.
Arianna Radaelli
Der Stylus Fantasticus
in den Toccaten von Michelangelo Rossi und Johann Jakob Froberger
Michelangelo Rossi und Johann Jakob Froberger waren Verfolger des italienischen Toccatenstils, den Frescobaldi bereits revolutioniert hatte. Rossi konzentrierte sich in seinen Kompositionen auf eine abwechselnde Fragmentierung des deklamatorischen und imitatorischen Stils sowie auf den extremen Gebrauch der Chromatik. Froberger verstärkte das rhapsodische Element sowie die Verwendung von kühnen Harmoniefolgen. Alle Komponenten sind in eine formale Struktur eingebettet, die an den venezianischen Stil der Spätrenaissance erinnert und werden durch lineare imitatorische Teile ausgeglichen.
Arianna Radaelli, Cembalistin und Pianistin, studierte an der Schola Cantorum Basiliensis bei F. Corti und A. Marcon. Sie ist Preisträgerin internationaler Wettbewerbe und spielt bei verschiedenen Festivals für Alte Musik in Europa, sei es als Solistin, in ihrem Duo „Alter Ego“, als Mitglied von Ensembles (Zefiro, Café Zimmermann, Abchordis Ensemble u. a.) oder als Direktionsassistentin bei Opernproduktionen. Seit 2021 ist sie Dozentin für Generalbass und Korrepetition an der Universität Mozarteum Salzburg, seit 2023 Dozentin für Cembalo und Generalbass an der HMDK Stuttgart.
KMD Dr. Markus Uhl
Eine Frage der Echtheit
Pfeifenorgel vs. Digitalorgel – Organist*innen vs. Orgamat – Livemusik vs. Musikaufnahmen
Können Digitalorgeln Pfeifenorgeln ersetzen? – Können Orgamaten Organist*innen ersetzen? – Können Musikaufnahmen Livemusik im Gottesdienst ersetzen?
Drei Fragen, die im Zentrum der Vorlesung von KMD Dr. Markus Uhl (Heidelberg) stehen, der nach Antworten sucht, warum technisch-pragmatische Lösungen zumindest im Kontext des Gottesdienstes so nicht ohne Weiteres eingesetzt werden können. Dabei geht es um Fragen nach Echtheit und Surrogaten, nach den Subjekten des Gottesdienstes, die präsentisch anwesend sein müssen und nach Musik, die an einem konkreten Ort zu einer konkreten Zeit live von Menschen musiziert werden muss, damit sie zur Kirchenmusik wird.
KMD Dr. Markus Uhl (*1978) studierte in Freiburg, Weimar, Heidelberg und Essen Kirchenmusik, Konzertfach Orgel/Orgelimprovisation, Musikwissenschaft und Philosophie. Seit 2007 ist er Bezirkskantor der Erzdiözese Freiburg an der Jesuitenkirche in Heidelberg (Chöre, Orgelspiel, Ausbildung etc.). Als Lehrbeauftragter unterrichtet er an Hochschulen in Stuttgart, Heidelberg und Weimar u.a. Orgelimprovisation, Orgelliteratur und Gregorianik. In seinem Unterricht an der HMDK Stuttgart verbindet er künstlerische und wissenschaftliche Ansprüche mit seiner umfassenden Praxiserfahrung als hauptberuflicher Kirchenmusiker, die er an die Studierenden weitergibt.
ANSPRECHPARTNER
Pol Àlvarez i Viciana
Philipp Kaufmann