CD Produktionen
Big Band: An hellen Tagen
Die Big Band der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart ist die älteste ihrer Art an einer bundesdeutschen Musikhochschule. Gegründet wurde dieses Orchester 1974 von einem Klarinettenstudenten im Rahmen eines einsemestrigen Jazzseminars, das er für seine Kommilitonen durchführte. Prof. Wolfgang Gönnenwein, damals Rektor der Hochschule, hatte seine Zustimmung dafür erteilt. Und das war etwas ganz besonderes, denn Jazz wurde bis dato nur unter großem Vorbehalt an einer Hochschule geduldet. – Unter vorgehaltener Hand sprachen einige Professoren von einer »Verproletarisierung der Hochschule« und waren nur ungern bereit dieses Genre zu dulden.
Dieser Klarinettenstudent, der den Jazz liebte, war ich und ich wurde von meinen Kommilitonen gefragt, doch in Theorie und Praxis – ohne Kosten für die Hochschule – ein Jazzensemble aufzu-bauen. Ein großes »Free Jazz«-Ensemble, das die Nähe der »neuen Musik« suchte, unterstützt von Prof. Erhard Karkoschka. Der »Saxophon-Workshop« mit Arrangements von »Super-Sax« und die »Big Band« mit eigenen Kompositionen sind daraus entstanden – für ein Semester. Ich hatte damals bereits für das »Erwin Lehn-Orchester« – die heutige SWR Big Band – einige Komposi-tionen geschrieben und sprach Erwin Lehn an, ob er nicht Lust habe, dieses Studentenorchester weiter zu betreuen. Er sagte zu und arbeitete in den nächsten zwei Semestern mit unserer Big Band ohne Gage! »Das Jazzspielen verdirbt den Ansatz!«, pflegten damals einige Lehrer der Bläserklasse in Stuttgart zu sagen und waren nicht besonders glücklich, wenn die Studierenden sich Donnerstagabend im Orgelraum der alten Musikhochschule zur Big Band-Probe versam-melten. Der Jazz wurde damals noch lange nicht als gleichwertig und ebenbürtig der klassischem Studiengänge gesehen. Und selbst eine Rüge wegen »unerlaubten Jazzspielens« gab es damals noch, als mein Lehrer mich bei Proben einiger Jazzstandards mit einem Pianisten »erwischte«.
Erwin Lehn schaffte es in den nächsten Jahren durch seine hervorragende Arbeit, die Big Band zu einem Aushängeschild der Stuttgarter Hochschule zu machen. In der Folgezeit – mehr als 20 Jahre lang – war Prof. Erwin Lehn Leiter dieses Klangkörpers, den er zu einem erfolg reichen Swing-Orchester ausbaute. Gemeinsam mit Hartmut Aust, der die Organisation übernahm, veranstaltete er zahlreiche Konzerte. Nach der Pensionierung Erwin Lehns im Jahre 1998 wurde mir die Leitung des Orchesters übertragen. Da an der Stuttgarter Musikhochschule bereits 1986 eine professionelle Jazzausbildung – das Institut Jazz/Pop – seine Arbeit begonnen hat-te, wurde auch das Repertoire erweitert und das Fach »Big Band« aufgewertet. So stehen heute, neben jazzigen und groovigen Titeln auch zeitgenössische Kompositionen von Orchestermit-gliedern sowie Rock-, Funk- und Latin-Stücke auf dem Programm. Die Besetzung des Orchesters wechselt von Semester zu Semester, um möglichst vielen Studierenden Einblicke in die Big Band-Arbeit geben zu können. In der Folgezeit wurden auch hochkarätige Gastsolisten in die Hochschul-Big Band einbezogen. Der Pianist Wolfgang Dauner, Posaunist Jiggs Whigham, Trompeter Herbert Joos, Gitarrist Frank Kuruc sowie die Saxophonisten Hans Koller und Peter Lehel sind nur einige der Gäste, die mit unserer Band aufgetreten sind. Heute ist die Big Band ein wichtiger Teil unserer Hochschule. Trotzdem hoffe ich, dass ihr der »Biss« erhalten bleibt und dass diese Musik weiterhin neu und aktuell bleibt.
Im Sommer 2012 werde ich pensioniert und ich bin glücklich, die vorliegende CD, die wir an der Hochschule der Medien Stuttgart bei Prof. Oliver Curdt mit seinen Studierenden aufgenommen haben, für die Stuttgarter Hochschule herausbringen zu dürfen.
Danken möchte ich allen, die die Arbeit der Big Band in diesen 38 Jahren unterstützt haben, den Studierenden, Dozenten und allen Freunden und Förderern der Big Band und unseres Studiengangs, die uns die Treue gehalten haben.
PROF. BERND KONRAD
Leiter des Instituts Jazz/Pop