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Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Kerstin Kipp
Angewandte Rhetorik und Sprechwissenschaft
Gibt es eine männliche und eine weibliche Rhetorik? Klar ist, dass die Art und Weise wie wir in der Öffentlichkeit auftreten unter anderem davon abhängt, in welcher Gesellschaft wir aufgewachsen sind. Klar ist auch, dass Frauen gesellschaftlich und kulturell anders geprägt sind als Männer.
Ein Blick die Geschichte zeigt, dass die Rhetorik der „großen Rede“ Frauen bis ins 19. Jahrhundert vorenthalten blieb. Frauen hatten in der Regel weder Zugang zu einer Rhetorikausbildung noch zu Positionen, die mit öffentlichem rhetorischen Auftreten verbunden gewesen wären. Dennoch gab es immer wieder Frauen, die sich in der männlich dominierten Gesellschaft mit rhetorischen Strategien Gehör verschaffen konnten. Es war ein Balanceakt zwischen dem Einhalten von gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und dem Kampf um Mitgestaltung und Mitentscheidung.
Heute treten Frauen häufiger in Spitzenpositionen auf, z. B. in der Politik, an Universitäten und in der Kirche. Einige dieser Frauen schlagen neue Wege in der Rhetorik ein, mit denen sie bis vor gar nicht langer Zeit zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Weiblichkeit und schlagkräftige Rhetorik scheinen sich nicht mehr unbedingt gegenseitig auszuschließen.
Kerstin Kipp wünscht sich mit dem Antritt der Professur, dass Studierende lernen, sich eine Meinung zu bilden und dafür einzustehen. Es geht verstärkt um Diskurs- und Kritikfähigkeit und um die Anwendung des Gelernten in verschiedenen Situationen. Mit der Schaffung der Stiftungsprofessur bietet sich für Kerstin Kipp die Chance, dass zukünftig auch Forschung zu Fragen der angewandten Rhetorik möglich ist. Derzeit untersucht sie beispielsweise die Überzeugungskraft von Spitzenpolitiker*innen in TV-Duellen. Dabei werden sprachliche Mittel, Sprechausdruck und Körpersprache analysiert. Kerstin Kipp ist promovierte Psycho-login und habilitierte Neuropsychologin, geprüfte Sprecherzieherin der Deutschen Gesell-schaft für Sprechwissenschaft und Sprecherziehung (DGSS). Beruflich war sie Wissenschaftliche Leiterin des ZNL TransferZentrums für Neurowissen-schaften und Lernen an der Universität Ulm. Nebenberuflich arbeitet sie als Rhetoriktrainerin. Kipp verbindet wissenschaftliche Kompetenz mit praktischer Erfahrung, sie ist bestens vernetzt als Vorsitzende der Wissenschaftskommission im Berufsverband DGSS und als Mitglied im Programmkomitee der Int. Stuttgarter Stimmtage der Akademie für gesprochenes Wort.