Die Geschmeidige
Die Geschmeidige
Sie ist die kleine Schwester der Konzertsaalorgel, aber auch eine Nachfahrin der französischen Barockorgel. Eine symphonische französische Orgel in einem kleinen Unterrichtsraum ist fast ein Widerspruch in sich, denn dieser Typ, wie er exemplarisch durch Aristide Cavaillé-Coll, den berühmtesten französischen Orgelbauer des 19. Jahrhunderts, definiert worden ist, ist auf grosse Kirchenräume hin angelegt. Nun zeigt aber die seit fünfzehn Jahren wieder restauriert zugängliche Hausorgel des bedeutenden französischen Komponisten Jehan Alain (1911-1940), deren Kern auch ein Instrument Cavaillé-Colls ist, dass sich das typische „Parfum“ dieses Orgelstils auch in einem kleineren Raum durch ein intimeres, in der Lautstärke gezähmtes Instrument entwickeln läßt. Die Leiter der Luzerner Orgelbaufirma Goll, Jakob Schmidt (+) und Beat Grenacher, die für uns 1997 die Orgel gebaut haben, überzeugten mit einem Konzept, bei dem der Prospekt der Orgel fast vollständig geschlossen ist. Im Innern des Orgelgehäuses generiert der Klang einen eigenständigen Nachhall, der Schall tritt nur durch einige schmale, von wenigen Pfeifen umstellte Ausschnitte aus. Die gute Klangmischung macht diese Orgel in der Registrierung besonders geschmeidig. Gleiches gilt auch für ihre leichtgängige und präzise Spieltraktur, die sie zu einem idealen Unterrichtsinstrument macht: angenehm im Spielgefühl, aber doch unnachsichtig gegenüber jedweder Ungenauigkeit.
Die Orgel ahmt bewußt nicht möglichst genau den Stil Cavaillé-Colls nach, sondern ist in einem etwas älteren Stil gehalten, etwa in Anlehnung an die im frühen 19. Jahrhundert auch im Elsass tätigen Orgelbauer Callinet, welche einen gewissen spätbarocken, auch deutsche Elemente enthaltenden Grundbestand mit romantischen Farben anreicherten. Dadurch eignet sich die Orgel auch noch gut für die Musik Bachs. Bei der Interpretation der Werke eines César Franck oder eines Charles Marie Widor, für welche sich nahezu alle wesentlichen Klangfarben finden, empfängt der Hörer einen Eindruck Pariser Atmosphäre des 19. Jahrhunderts, sozusagen reduziert auf „Salonklang“. Zur Kennzeichnung der stilistischen Zwitterstellung wurden französische Registernamen auch nur im Schwellwerk verwendet. Da diese Orgel gelegentlich zu Prüfungen und zu klasseninternen Konzerten verwendet wird, erhielt sie zusätzlich zur mechanischen Registertraktur elektronische Setzerkombinationen zum schnellen Wechsel vorprogrammierter Klangfarben.